Watts Towers: Ikone von Los Angeles aus Stahlschrott und Scherben

Das amerikanische Los Angeles ist voll von weltberühmten Plätzen, gefeierten Bauten, legendären Stadtteilen und Straßen sowie unvergesslichen Stränden. Wissen Sie aber auch, dass eine der Ikonen der Stadt der Engel das Werk eines ansonsten ganz gewöhnlichen italienischen Immigranten ist, das aus Stahlschrott und Glas und ohne irgendwelche Pläne gebaut wurde? In der Vorstadt von Los Angeles, auf einem unauffälligen Grundstück, nur einen Steinwurf von der Bahnlinie entfernt, die das Zentrum  des Städtchens Watts durchquert, stehen die so genannten Watts Towers, eines der erstaunlichsten und merkwürdigsten Kunstwerke im öffentlichen Raum in den gesamten Vereinigten Staaten. Siebzehn Plastiken einschließlich Türmen, von denen der höchste nicht ganz 30 Meter misst, samt Pavillions, Terrassen, Wände oder Eingangstore hat der italienische Einwanderer Sabato „Simon“ Rodia  mit den eigenen Händen und nur unter Verwendung von grundlegendem Handwerkzeug errichtet. An seinem Werk arbeitete er 33 Jahre lang, zwischen 1921 bis 1954, immer nachmittags nach der Arbeit und an den Wochenenden. Ohne jedwede architektonische Bildung, ohne Gerüst, letztendlich auch ohne jedwede Pläne oder tiefere Motive. Wenn er gefragt wurde, was ihn zur Schaffung des Werks führte, antwortete er, dass er einfach schaffen wollte und deshalb schuf er. Das Fundament von Rodias Schöpfungen waren alte Stahlbetonverstärkungen und Maschendraht, die Rodia zu ausgedachten Formen gestaltete und die er anschließend mit seinen eigenen Mischungen auf Betonart bedeckte. Die Oberfläche der Plastiken ist mit Glas- und Porzellanscherben, Pflaster oder Spiegelstücken, Muscheln, verschiedenen Figuren, Küchengeräten und weiteren Mischungen von Abfall- und gefundenen Material dekoriert. Obwohl das Werk heute unter dem Namen Watts Towers bekannt ist, wurde es von Rodia selbst Nuestro Pueblo, was auf Spanisch „unsere Stadt“ bedeutet, genannt. Im Jahr 1954 erlitt Rodia einen Gehirnschlag und kurz danach fiel er beim Schaffen von einem seiner Türme. Der fünfundsiebzigjährige Rodia entschied sich danach, die Arbeit an seinen Plastiken zu beenden, trat das Grundstück an seinen Nachbarn ab und zog zu seiner Schwester in Kalifornien, wo er bis zu seinem Ende lebte. Schon im Verlauf ihrer Schaffung wurden die Watts Towers zu einer beliebten lokalen Attraktion. In den vierziger Jahren wurde das Städtchen Watts zur Heimat der vorwiegend afro-amerikanischen Gemeinde, für die die Watts Towers zum Symbol des Stolzes auch der vernachlässigten Viertel wurden. Als im Jahr 1965 in Watts große Unruhen ausbrachen - die größten zur Zeit der afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung - die große Schäden am Besitz mit sich brachten, entrann gerade das Werk Rodias sämtlichen Schäden wie ein Wunder. Die Watts Towers überstanden sogar mehreren Erdbeben, was über ihre außergewöhnliche Stabilität aussagt. Im Licht dessen erscheint es einigermaßen komisch, dass die Stadt Watts die Plastiken in den 50er Jahren abbrechen wollte, weil sie sie für instabil und gefährlich hielt. Die Künstler-Gemeinschaft von Los Angeles erhob sich jedoch zu ihrer Verteidigung und bezahlte für ihren Belastungstest. Als die Türme ohne Problem den Wirkungen der Querkraft von ca. 4,5 Tonnen Kraft widerstanden, musste die Stadt kapitulieren und den Abbruchsbefehl aufheben. In den 60er Jahren wurde die Attraktion dann für die Öffentlichkeit geöffnet.